Die Fitscher-Belegschaft in den 1930er-Jahren. Im Jahr 1966 trat Dieter Fitscher, bis heute geschäftsführender Gesellschafter, ins Unternehmen ein.

Explodierende Energiepreise, hohe Auflagen bei Sicherheit und Umweltschutz, Deindustrialisierung und wie in allen Branchen: überbordende Bürokratie. Gießereien in Deutschland haben einen schweren Stand. Wer sich hier behauptet, genauer gesagt: wer sich hier 125 Jahre behauptet, hat sein Rezept gefunden. Bei der Ed. Fitscher GmbH & Co. KG besteht dieses aus den Zutaten Innovationsgeist, Weitsicht und familiärer Note.

Mitten in der Oberhausener Innenstadt – zu Gründungszeiten im Jahr 1900 standen hier, rund um die Marktstraße, nur ein paar Häuser – erzählt die Eisen- und Metallgießerei lebendige Industriegeschichte. „Stillstand ist Rückschritt“, sagt der Geschäftsführer Stefan Michel, der seit 42 Jahren im Unternehmen ist. Zwar herrschten in den Schmelzöfen, wie anno dazumal, Temperaturen von bis zu 1.300 Grad; alles andere aber sei neu und innovativ, angefangen von der Energiezufuhr über die Gussverfahren bis hin zur Fertigungstiefe.

Chef mit 25, Chefin mit 27 Jahren
Wie man Tradition und Wandel vereint und lebt – davon zeugt Fitscherguss als Familienunternehmen ganz besonders: Der Gründer Eduard Fitscher war der Großvater von Dieter Fitscher. Der heute 84-jährige Geschäftsführende Gesellschafter, der seit seinem Eintritt 1966 Tag für Tag in den Betrieb kommt, leitet diesen demnach „erst“ in dritter Generation; mit seiner Tochter Diana ist die nächste Generation bereits integriert. Dieter Fitscher feiert also in wenigen Monaten seine schier unglaublich lange, 60-jährige Firmenleitung. „Das hat nur die Queen getoppt“, scherzt der Senior. Sein Start im Familienunternehmen war aber überschattet: Kurz vor seinem Dienstantritt verunglückte sein Vater tödlich. „Als ich hier anfing, war ich deshalb komplett auf mich alleine gestellt. Ich kannte keine Kunden, keine Lieferanten, keine Abläufe. Meine Mutter war nie im Betrieb, mein jüngerer Bruder im Internat“, erzählt er. Was folgte, war ein Kampf gegen alle Widrigkeiten: Strukturwandel, Ölkrisen, das Sterben der Zechen im Ruhrgebiet. „Von der Montanindustrie haben wir 90 Prozent unserer Kunden verloren“, erinnert sich Fitscher. Seine Tochter Diana, die 2020 mit 27 Jahren in den Betrieb einstieg und heute neben ihm geschäftsführende Gesellschafterin ist, ergänzt „Aber wir haben uns neue Märkte erarbeitet – Getriebebauer, Werften und Maschinenbau.“

Ohne Guss: Keine Bewegung, kein Fortschritt
Der Betrieb wuchs. Und wandelte sich. Heute ist Fitscher nicht mehr einfach nur Gießerei, sondern Hightech-Schmiede für hochbeanspruchte Metallkomponenten. Zwar sieht man die Fitscher-Gussteile wie Zahnrad oder Gleitlager nie, sie sind aber elementare Bauteile vieler alltäglich genutzter Gegenstände: Rolltreppen, Zahnarztstühle oder Aufzüge zum Beispiel. Und sie sind unverzichtbarer Teil der Energiewende: „Unsere Produkte gehen in Windräder und Antriebstechnik“ weiß Diana Fitscher. Ohne Guss, so traditionell dieser an den Schmelzöfen wirkt, keine Bewegung – und im übertragenen Sinne: kein Fortschritt.

Dieter Fitscher, Geschäftsführender Gesellschafter Fitscherguss

„Der wesentliche Innovationsschritt erfolgte 1983, als die alten Ölöfen ersetzt, nun elektrisch betrieben, und neueste Filteranlagen eingebaut wurden. Nicht, weil es Vorschrift war, sondern weil es richtig war. Direkt nebenan ist ein Kindergarten.“ 

Präzision: Fitscher ist nach 125 Jahren nicht mehr einfach nur Gießerei, sondern Hightech-Schmiede für hochbeanspruchte Metallkomponenten, die in der Qualitätssicherung geprüft werden.

Der wesentliche Innovationsschritt erfolgte 1983, als die alten Ölöfen ersetzt, nun elektrisch betrieben, und neueste Filteranlagen eingebaut wurden. „Nicht, weil es Vorschrift war, sondern weil es richtig war. Direkt nebenan ist ein Kindergarten“, erläutert Dieter Fitscher. Auch Stefan Michel erinnert sich: „1983 war das hier alles noch rußverschmiert. Heute schmelzen wir mit Strom – die Emissionswerte sind um ein Vielfaches gesunken.“

Und die Zahlen sprechen für sich: Die Fitscher-Gießerei liegt beim CO₂-Fußabdruck deutlich unter dem Branchendurchschnitt, emittiert 98 Prozent weniger Staub als gesetzlich erlaubt – und arbeitet zu 100 Prozent im Materialkreislauf. Schrott und Späne werden vollständig eingeschmolzen, der Einsatz von Recycling-Vorstoffen ist Standard. „Wir sind zertifiziert, wir leben Kreislaufwirtschaft. Nachhaltigkeit ist für uns kein Trend – sondern Tradition“, betont Diana Fitscher, die die technische Leitung innehat.

Fitscher bearbeitet die gegossenen Bauteile auch, um Kunden einbaufertige Teile zu liefern. Im Werk II in Oberhausen-Lirich geschieht dies heute teilautomatisiert.

Guss und Bearbeitung wird zur Ingenieurskunst
Innovationsgeist bewies Fitscherguss auch in der Fertigungstiefe. Seit den 1960er-Jahren bearbeitete man die Gussteile auch; 2013 wurde zu diesem Zweck Werk II in Oberhausen-Lirich eröffnet. Hier werden die Bauteile CNC-gesteuert und teils von Robotern bearbeitet – eine eigene Welt für Präzision und Effizienz. Diana Fitscher beschreibt: „Wir liefern einbaufertige Teile. Das bedeutet: Gießen, fräsen, bohren, nuten – alles aus einer Hand. So kann der Kunde das Teil direkt einsetzen.“ Solitär in der Branche sind Fitschers` Schneckenradrohlinge aus Bronze: „Wir arbeiten mit Strangguss, einer besonderen Gussform, die extrem hohe Verschleißfestigkeit aufweist. Dafür haben wir europäische und deutsche Patente“, berichtet der Kaufmann Michel. Und die Technikerin ergänzt: „Wir dimensionieren unsere Bauteile, konkret z. B. die Wandstärken, mit immer weniger Material, um sie leichter zu machen und die Kosten zu senken.“

Als Diana Fitscher 2020 in die Geschäftsleitung eintrat, war klar: Der Generationenwechsel ist mehr als symbolisch. Sie bringt frischen Wind als junge Frau, die sich in einer technischen und männerdominierten Branche behaupten muss, und hat einen klaren Führungsstil: „Ich glaube an Teamarbeit. Früher wurde oft gesagt: Entscheiden Sie! Heute sage ich: Entscheiden wir!“ Dabei profitiert sie vom Know-how des Altmeisters: „Auf meinen Vater lässt hier keiner was kommen. Wenn er durch den Betrieb geht, gibt’s Respekt. Für mich ist er Vorbild – menschlich und unternehmerisch.“ Das belegt auch die geringe Fluktuation in der Belegschaft: Dieses Jahr werden wieder vier Mitarbeiter mit 40 Jahren Betriebszugehörigkeit gefeiert. „Wir leben ein familiäres Miteinander.“

Neue Wege, alte Werte
Was bleibt, ist das, was den Betrieb groß gemacht hat: Mut, kluge Köpfe und ein klarer Kompass. Dieter Fitscher fasst es nüchtern: „Man muss auf Qualität setzen – und auf die richtigen Leute.“ So arbeite man mit Hochschulen zusammen und habe Promotionsthemen begleitet. Dass Politik und Standortbedingungen es nicht einfacher machen, ist für ihn kein Grund zur Klage – sondern Ansporn: „Natürlich ist es eine Herausforderung, bei den Energiepreisen wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber wir gehen da nicht blind rein. Wir investieren, denken weiter – und bleiben hier. Einen 100-Mann-Betrieb verlagert man nicht so einfach nach Asien.“ Seine Tochter mahnt dennoch: „Die Politik muss endlich die Wirtschaft sehen; sehen, wie wichtig sie ist. Die neue Bundesregierung packt es hoffentlich jetzt richtig an und wartet nicht weiter ab.“ Ein starkes Plädoyer für Industrie in Deutschland, für Innovation made in Germany, die Fitscherguss täglich unter Beweis stellt.
Jennifer Middelkamp

Infos über das Unternehmen

> www.fitscherguss.de

Feierliche Urkundenübergabe am 2. Juni 2025

Von rechts: Diana und Dieter Fitscher, Stefan Michel und Wolfgang Schmitz.

Am 2. Juni 2025 wohnten Unternehmerverband, Stadtspitze und IHK MEO der feierlichen Urkundenübergabe bei. Dabei würdigten wir unser langjähriges und geschätztes Mitglied für sein außergewöhnliches Jubiläum. “Seit 125 Jahren steht Fitscher Guss für Kompetenz, Qualität und Innovationskraft im Bereich des hochwertigen Gießereiwesens. Ein Familienunternehmen, das nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern auch gesellschaftlich tief verwurzelt ist. Ein innovatives Unternehmen, das als einzige von einst sieben Gießereien in Oberhausen den Sprung in die Zukunft geschafft hat”, sagte Hauptgschäftsführer Wolfgang Schmitz. 

Die langjährige Verbundenheit mit dem Unternehmerverband ist außergewöhnlich.

  • Seniorchef Dieter Fitscher hat über viele Jahre hinweg die Entwicklung unseres Verbandes aktiv im Vorstand mitgestaltet und entscheidende Impulse gesetzt.
  • Geschäftsführer Stefan Michel führt dieses Engagement als aktuelles Vorstandsmitglied nahtlos weiter und setzt neue Akzente für die Zukunft.
  • Diana Fitscher, Geschäftsführerin und Vertreterin der fünften Generation, trägt nicht nur die Familientradition weiter, sondern engagiert sich ebenfalls ehrenamtlich und vertritt die Interessen ihrer Branche mit Nachdruck in der Öffentlichkeit.

Herzlichen Glückwunsch an das gesamte Team von Fitscher Guss zu diesem großartigen Jubiläum! Wir danken Ihnen und Euch für Loyalität und die überaus wertvolle Mitarbeit. Das ganze Team des Unternehmerverbandes freut sich auf viele weitere erfolgreiche Jahre gemeinsamer Zusammenarbeit

Kontakt zur Autorin

Jennifer Middelkamp

Jennifer Middelkamp

Pressesprecherin
Regionalgeschäftsführung Kreise Borken | Kleve