Anika Werth hat sich zur KiTa-Assistentin fortbilden lassen.

KREFELD | Basteln, tanzen, kuscheln, trösten – seit rund zehn Jahren arbeitet Anika Werth, die mit ihrer geistigen Behinderung selbst ein Handicap hat, in der integrativen KiTa Bischofstraße der Lebenshilfe Krefeld. Sie hat sich zur KiTa-Assistentin fortbilden lassen, eigentlich arbeitet sie in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Die junge Frau liebt ihren Job, und für die Kolleginnen und Kollegen, Eltern und Kinder in der KiTa ist sie aus dem Alltag nicht wegzudenken. Inklusion, wie sie funktionieren sollte, wird hier eindrucksvoll gelebt, auch wenn dies leider noch immer die Ausnahme ist. „Solch gelebte Inklusion ist eine Investition in jeden Einzelnen und in die Zukunft unserer Wirtschaft“, so der Finanzvorstand Marco Schlicht der Lebenshilfe Krefeld e.V. Ein Beitragdes WDR-Fernsehens beleuchtete kürzlich Anikas KiTa-Alltag, aber auch die Tatsache, dass es Menschen mit Beeinträchtigungen immer noch schwer haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

 

 Hier wünscht sich Marco Schlicht viel mehr solcher beruflichen Lichtblicke – stellvertretend für die gesamte Sozialbranche und Unternehmen in der Privatwirtschaft. Schlicht ist seit Anfang des Jahres hauptamtlicher Vorstand der Lebenshilfe Krefeld e.V. Nach Abschluss eines sonderpädagogischen Diplomstudiengangs in Erziehungswissenschaften begann er seine berufliche Laufbahn in der Sozialwirtschaft für Menschen mit besonderem Assistenzbedarf, bevor er zur Lebenshilfe Krefeld kam. Die Lebenshilfe Krefeld arbeitet eng mit Schulen, Kommunen und Behörden zusammen, um Teilhabe im Alltag erlebbar zu machen. Zu den Kernbereichen gehören inklusive Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, arbeitsorientierte Unterstützung, Freizeit- und Kulturangebote sowie beratende Dienste für Familien und ein mobiler Pflegedienst. Besondere Fachdienste konzentrieren sich auf Schulbegleitung, ambulante und stationäre Wohnformen, flexible Familienhilfen sowie das Büro für leichte Sprache. „Immer mit dem Ziel, Barrieren abzubauen und Selbstbestimmung zu stärken“, so Schlicht – wie am Beispiel von Anika Werth eindrucksvoll gelungen. Abseits von diesem positiven Inklusionsbeispiel sieht Schlicht Handlungsbedarf und bringt konkrete Lösungsvorschläge in das Aufgabengebiet der Eingliederungshilfe ein.

Fragen an Marco Schlicht, hauptamtlicher Vorstand der Lebenshilfe Krefeld

„Fachkräfte, Finanzen, Digitalisierung - Drei Hebel für eine starke Sozialwirtschaft mit Herz und Verstand“

Marco Schlicht, hauptamtlicher Vorstand der Lebenshilfe Krefeld

[uv]magazin: Welche strukturellen Veränderungen in der Sozialwirtschaft wären nötig, um die Finanzierung langfristig zu sichern?
Marco Schlicht: Ich halte eine stabile Finanzierung für möglich, wenn die Rahmenbedingungen verlässlich und planbar sind. Dazu gehört aus meiner Sicht eine dynamische Anpassung der Mittel an Tarif- und Kostenentwicklungen, damit steigende Personal- und Sachkosten realistisch abgebildet werden. Ebenso wichtig ist eine gesetzlich geregelte Investitionsförderung für Einrichtungen in Pflege, Teilhabe, KiTas und Bildung – also dort, wo gesellschaftliche Träger wie die Lebenshilfe Krefeld e.V. besonders viel Verantwortung übernehmen. Langfristige Finanzierungsvereinbarungen können zudem Planungssicherheit schaffen und zugleich den Bürokratieaufwand für alle Beteiligten reduzieren.

Wie kann Bürokratie reduziert werden, ohne Qualitätsstandards zu gefährden?
Viele Fachkräfte erleben derzeit, dass sie zu viel Zeit mit Dokumentation verbringen müssen, die sich teilweise sogar wiederholt. Durch die schnelle Reduktion von Mehrfachmeldungen, die Bündelung von Berichtspflichten und vor allem durch digitale Schnittstellen nach dem Prinzip der Once-Only-Dateneingabe, die Daten nur einmal erfassen und mehrfach nutzbar machen, lässt sich dies erheblich verbessern. Das spart Zeit, senkt enorm Kosten und ermöglicht den Mitarbeitenden, sich stärker auf die direkte Arbeit
mit Menschen zu konzentrieren – ohne dass die Qualität darunter leidet. Weniger Bürokratie schafft oft sogar mehr Raum für Qualität und Menschlichkeit.

Der Fachkräftemangel betrifft nahezu alle Bereiche. Welche Maßnahmen könnten kurzfristig und langfristig helfen?
Wir brauchen ein ganzheitliches Personalentwicklungskonzept, das kurzfristige und langfristige Strategien miteinander verbindet. Kurzfristig können Wiedereinstiegsprogramme
oder gezielte Qualifizierungen helfen, erfahrene Fachkräfte zurückzugewinnen. Langfristig sehe ich den Schlüssel in der Weiterentwicklung der generalistischen Fachkräfte- und
Pflegeausbildung. Darüber hinaus sollten Aus- und Weiterbildungsstrukturen gezielt gefördert werden. So gelingt es, berufliche Entwicklung attraktiver mit Herz und Verstand zu gestalten und gleichzeitig die Qualität der Teilhabe sicherzustellen.

Kontakt zur Autorin:

Geraldine Klan

Referentin